Irgendwie kommt man an den Vorurteilen über die Bevölkerung eines Landes ja gar nicht vorbei. So sind wir Deutschen IMMER alle pünktlich, fleißig, übergenau, wenig flexibel und von Natur aus geborene Ingenieure. Sind wir das wirklich?
Aber wie sind denn die Spanier so?
Und?
Ist Ihnen schon etwas ganz spontan eingefallen? Irgendetwas außer: Siesta, Fiesta, Stierkampf, Flamenco, Paella und Sangria – vielleicht?
Aber vielleicht nehmen wir uns mal ein paar Minuten Zeit und widmen uns den Klischees über Spanier einmal so richtig mit der guten, alten, deutschen Besserwisserei 😉.
Alle Spanier (und wirklich ALLE Spanier und ohne Ausnahme)
…. sind stolz!
Und bei diesen Worten laufen wahrscheinlich schon bei den meisten Lesern in so einer Art Kopfkino die wildesten Flamenco- und Stierkampfarena-Szenarien ab… Aber lassen wir jetzt einmal diese Klischees, mit denen so gerne das spanische Image seit fast einem Jahrhundert beworben wird aus kommerziellen Zwecken außer Acht.
Für mich persönlich gibt es in einem Gespräch mit einem Spanier nur einen einzigen Moment, diesen einzigen magischen Moment, wo er mit seinen 1,60m über das Doppelte seiner Körpergröße hinauswächst. Und dann ist es auch ganz und völlig egal, worüber man sich gerade unterhält und was man gerade bespricht. Sei es der König, die Monarchie, die Parteien, die Korruption, die Behörden, das Finanzamt, die Banken oder die Familie. Der magische Moment tritt ein, wenn Kritik von außen aufkommt. Dann fassen sich alle Spanier an die Hand und sind sich einig. Und verteidigen leidenschaftlich, laut und mit ganzem Herzen ihr Land und ihre Position. Auch wenn sie noch 3 Minuten vorher im kritiklosen Gespräch ganz anderer Meinung waren und über alle und alles geschimpft und geflucht haben. Aber so schnell wie die Wogen aufkommen, glätten sie sich auch wieder….
Alle Spanier sind temperamentvoll!
Ein wirklich unausrottbares Vorurteil, wie ich finde. Alle spanischen Männer sind Machos und alle spanischen Frauen sind heißblütig. Vielleicht mag das für Südspanier noch in gewisser Weise treffen. Aber Spanien besteht bekanntlicher Weise nicht nur aus Andalusien – so wenig wie Deutschland nur aus Bayern. Sie glauben mir nicht? Dann nehmen wir doch einmal die ehemaligen und aktuellen Regierungschefs Zapatero und Rajoy! Diese stammen nicht aus Andalusien, wie man weiß und verfügen über das Temperament eines Heidschnucken-Schäfers aus der Lüneburger Heide. Während man sich auf Youtube im englischen Parlament die heißesten Diskussionen mit Pöbeleien und richtigen Handgreiflichkeiten ansehen kann – wird man diese Situationen selbst bei langer und intensiver Suche in der spanischen Regierung nicht finden.
Alle Spanier sind gleichgültig!
Vielleicht erscheint es uns von außen so, dass den Spaniern mit ihrer Einstellung „Was Du heute kannst besorgen, das kannst Du auch noch morgen oder übermorgen machen.“ als gleichgültig und uninteressiert. Ich persönlich denke aber, dass dies auf einem kulturellen Missverständnis beruht. Der Spanier ist nicht gleichgültig und tapert durch das Leben, als wenn es kein Morgen gäbe. Vielmehr prägt die Grundeinstellung der Kultur (es gab in diesem Land bis 1975 eine Diktatur) und des Seins eine gewisse Gelassenheit. Wenn es heute klappt, ist das gut. Aber wenn nicht, haben wir noch so viele andere Tage vor uns, an denen wir das erledigen können – also stressen wir uns jetzt nicht unnötig. Und irgendwann klappt es dann ja auch – und ohne Herzinfarkt! Spanier regen sich nur im Notfall auf. ABER DANN RICHTIG UND SEHR TEMPERAMENTVOLL! Aber wie ich vorher schon sagte: So schnell wie die Wogen aufkommen, glätten sie sich auch wieder…..
Alle Spanier sind nachtaktiv!
Jetzt einmal eine ganz ehrliche Frage an alle: Was bleibt einem im Sommer bei der Hitze anderes übrig? Die spanischen Tageszeiten sind kulturell bedingt einfach ganz anders. Selbst mit Schichtdienst, europäischen Bürozeiten und Klimaanlage. Man frühstückt einen Kaffee und isst eine Kleinigkeit während des Vormittags. Mittagessen ist gegen 15 Uhr und Abendessen ab 21.00 Uhr. In manchen Regionen und Branchen gibt es noch die fast komplett ausgestorbene Siesta bei Berufstätigen. Aber die Arbeitszeiten in Spanien sind oft auch ganz anders als in Deutschland. Darüber müsste ich eigentlich mal einen Artikel verfassen, denn das würde auch vieles erklären.
Alle Spanier sind faul!
Das empfinde ich persönlich als eines der dümmsten Vorurteile. Und das Beste an diesem Vorurteil ist, dass die Spanier sich selbst die ganze Zeit darüber lustig machen und es unendlich viele Witze darüber gibt. So wie ich es persönlich kennengelernt habe im Arbeitsalltag, haben die Spanier einfach die Ruhe weg. Das ist ihre Gelassenheit und selbst unter großem Stress sind sie immer noch freundlich und aufmerksam. Dann wird eben mal persönlich gequatscht. Dann bleiben die Spanier aber auch einfach etwas länger bis sie alles erledigt haben. Und was heute nicht ging, geht spätestens morgen oder übermorgen und davon wird die Welt auch nicht untergehen. Es ist diese Gelassenheit von der ich zuvor schrieb, die den Druck aus der Situation nimmt. Überstunden aufschreiben und abfeiern können oder ausgezahlt bekommen – kenne ich im Berufsalltag persönlich nicht, aber ich habe ja auch nur eine kanarische Sicht. Unnötiger Stress wird einfach ausgeblendet und wenn man richtig ranmuss, dann fluppt es auch nach Zeitplan. Aber nur, wenn es wirklich sein muss. Und viel anders läuft es in anderen, europäischen Ländern auch nicht.
Spanien ist wirtschaftlich uneffizient und eine Last für Europa!
Gern nimmt man ja innerhalb Europas neben dem schwarzen Schaf Griechenland auch Spanien mit ins Visier der Kritik. Da ich mich mit diesen Themen nicht wirklich auseinandersetze, möchte ich an dieser Stelle auch gar keine Position beziehen. Eben weil ich ja mitbekomme, wie die EU vieles auf den Kanaren aktiv unterstützt. Aber ich hatte vor kurzem ein persönliches Schlüsselerlebnis, mit welchem ich nicht im Entferntesten gerechnet hatte und welches mich persönlich in dem Moment erst einmal sprachlos gemacht hat. Ich hatte mit meinen beiden inzwischen fast erwachsenen Kindern über die spanische Wirtschaft gesprochen. Und als immer noch und seit über 20 Jahren ambitionierte, deutsche Mutter im Ausland, wollte ich ihnen zeigen, dass Deutschland echt wichtig in der Wirtschaft ist. Daraufhin sagte ich zur Unterlegung meiner zuvor gebrachten, unrecherchierten Argumentationen innerhalb unseres Gesprächs, dass sie doch wegen ihrer Internetaffinität bitte einmal folgende Daten/Statistiken sich übers Internet suchen sollten: Die wichtigsten Marken innerhalb Europas in der Wirtschaft – so oder so ähnlich war meine Vorgabe. Meine handy-begeisterten Jung-Erwachsenen gingen auf meinen Vorschlag sofort ein und hatten direkt die ultimativen Research-Medien an der Hand – ihr Handy und das Internet. Innerhalb von Minuten begannen beide zu lächeln. Da kam in mir ein Gefühl hoch, dass da jetzt gerade etwas nicht so richtig gut für mich lief. Und dann bekam ich die Statistiken präsentiert – direkt schwarz auf weiß in digitaler Form! Seit diesem Erlebnis bin ich wirklich sehr vorsichtig geworden in meinem Plädoyer für die deutsche Wirtschaftsstärke im Vergleich zur spanischen in diesem Aspekt. Selbst die deutsche Telekom wurde durch Telefonica/Movistar aufgekauft – wurde mir da zugetragen. Bitte jetzt keinen Shitstorm über mich – es gibt da auch ganz noch andere Faktoren, die man hinzuziehen muss, um dieses umfassende Thema in all seiner Profundität erfassen zu können. Jedoch war ich persönlich sehr überrascht von dem Ergebnis überhaupt. Wäre ich sonst so blöd gewesen und hätte meinen Kinder zu Untermauerung meiner gesamten Argumentation so etwas gesagt…..? Ich bin jedoch insgesamt davon überzeugt, dass es Spanien gar nicht so schlecht geht…
Alle Spanier feiern gern und immer!
Und das machen sie wirklich gern, ausgiebig und immer. Wenn es geht und wenn nicht – dann eben spontan. So nach dem Motto: „Morgen kommt erst morgen – aber jetzt bin ich hier und habe Spaß.“. Es ist diese unbeschwerte Lebenslust. Diese haben sich die Spanier wirklich erhalten. Auch wenn es vielen Familien wirtschaftlich nicht gut geht. Dann trifft man sich einfach und grillt auf der Terrasse und jeder bringt etwas mit und hat eine gute Zeit. Insgesamt sind Spanier wirklich immer sehr gastfreudig. Man wird immer eingeladen auf einen Kaffee – selbst wenn man nur an der Tür klingelt und nach dem Weg fragt (wenn man nett fragt😊).
Alle Spanier sind völlig Lautstärke-unempfindlich!
Ja, das mit dem Geräuschpegel der spanischen Gesellschaft ist so eine Sache und unabhängig von jeglicher Norm. In einem Gespräch reden manchmal 2 oder 3 gleichzeitig und das macht nichts. Weil der, der wirklich was zu sagen hat, einfach ein bisschen lauter redet.
Und es läuft in spanischen Haushalten IMMER das Fernsehen – auch wenn gar keiner guckt – und bestenfalls noch in verschiedenen Zimmern gleichzeitig. Und dann kommt die Fußballübertragung dazu, die am besten nebenbei in entsprechender Lautstärke mit den Kommentatoren übers Radio noch gehört wird. Dann die neuesten Hits von einer anderen Ecke des Hauses und die Verständigung findet über entsprechend lautstarke Zurufe statt ggf. übers ganze Haus….. Als einzige Deutsche in meinem Haushalt kann ich dieses Phänomen nicht erklären UND viel schlimmer – auch nicht abstellen. Weil es einfach keinen anderen stört?! Es ist einfach normal… Und daran werde ich mich wirklich NIE gewöhnen können.
Alle Spanier sind unpünktlich!
Das ist kein Klischee – das ist eine Realität! Pünktlichkeit ist wirklich eine nordeuropäische Tugend. Und es ist auch eine nordeuropäische Selbstverständlichkeit! Wenn ich eine Uhrzeit sage, dann meine ich auch diese Uhrzeit und richte mich darauf ein. Ich bin inzwischen komplett dazu übergegangen meine Verabredungszeiten nach nationaler Herkunft ganz flexibel zu sehen. Spanier geben einem selbst bei beruflichen Terminen so sehr viel zeitlichen Spielraum – es ist für einen Nordeuropäer unfassbar. Aber alles ist ein Geben und Nehmen. So weiß ich, dass wenn ich mit einem Spanier verabredet bin – er ohne Kommentar oder Nachfrage übers Handy auch schon mal eine halbe Stunde oder länger auf mich wartet – falls er pünktlich da sein sollte. Im Umkehrschluss gilt dann aber für mich dasselbe. Ich habe da schon die unglaublichsten Geschichten erlebt. Wenn ich das jetzt alles erzählen würde – aber eine Stunde ist unter Umständen und Gegebenheiten wirklich GAR NICHTS! Und gut, wenn man das weiß, dann stellt man sich einfach darauf ein…. Das muss man sich aber in didaktischer Selbsterlernung aneignen….
Oder sich einfach auf das Land, die Kultur und die Menschen einlassen…. was mit Sicherheit der einfachste Weg ist.
Das sind meine Erfahrungen… Aber wie sehen Sie es? Das würde mich wirklich interessieren…